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Stefan Bracht ist Kaffeeröster und bereist seit 2007 verschiedene Kaffee-Anbauländer in Süd- und Mittelamerika, Afrika und Asien. Kaffee entwickelte sich für den gelernten Architekten zu einer echten Herzensangelegenheit, denn 2008 gründete er die Kiezrösterei in Berlin, zu der seit 2012 auch Mykona Kaffee gehört.

Stefan Bracht gewährt uns in diesem Interview einen spannenden Einblick in seinen Alltag in der Kaffeerösterei und erklärt uns, warum Kaffee so einen großen Stellenwert in seinem Leben einnimmt.

Hallo Stefan! Vielen Dank, dass Du uns heute Rede und Antwort stehst. Wir beginnen direkt mal mit einer persönlichen Frage: Du warst ursprünglich mal Architekt. Heute bist Du Kaffeeröster. Wie kam es zu diesem Werdegang?

Ich arbeite noch immer als Architekt in meinem eigenen Büro. Aber was mal als zweites großes Thema, nämlich „Kaffee“ begonnen hat, ist inzwischen zum Hauptbeschäftigungsfeld geworden. Ich hatte mich 2003 als Architekt selbstständig gemacht, damals war gerade mal wieder Flaute in der Architekturbranche und 2004 haben ich und meine Frau entschieden, ins Kaffeegeschäft einzusteigen, als zweites Standbein. Das hat nicht so geklappt, wie erhofft, aber vier Jahre später haben wir das Kaffee Informationszentrum und Museum eröffnet und von da an ging es bergauf. Dort gibt es eine Ausstellung zur Geschichte des Kaffees und es werden Seminare rund um Kaffee für Interessierte, Laien, Profis sowie Schulklassen angeboten. Ebenfalls kann man die Kaffeeschule besuchen, diese beinhaltet Röstkurse, Baristakurs, Gründerseminare und Kurse für Schulklassen etc.

Wann und wie kamst Du mit Kaffee in Berührung? Gab es ein einschneidendes Erlebnis?

Wie ich schon anfangs sagte, wurde das Thema Kaffee zunächst aus der „Not geboren“. Aber da ich schon früh in meinem Leben eine gewisse Affinität zum Kaffee hatte – meine Mutter wurde in Guatemala als Tochter eines deutschen Tropenlandwirts geboren, der eine Kaffeeplantage verwaltete –, machte ich aus meiner Leidenschaft eine Profession.

Wie kam der Name der Rösterei „Mykona“ zustande?

Der Name der Rösterei lautet „Kiez Rösterei Berlin“ und wird seit 2012 als Einzelunternehmen geführt, vier Jahre nachdem wir mit dem Museum und der Kaffeeschule vom Berliner Bezirk Prenzlauer Berg nach Kreuzberg gezogen sind. Mykona ist ein Label, das wir kurz vor der Gründung der Rösterei am heutigen Standort von den Gründern übernommen hatten. Das Label ist als Start-up aus einer studentischen Gründung hervorgegangen. Die Idee war, unsere guten Kaffees einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

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An dieser Röstmaschine entwickelt Stefan Bracht neue Kaffeeröstungen. | Foto: Stefan Bracht

Die Arbeit in einer Rösterei stellen wir uns sehr vielfältig vor. Was sind Deine Aufgaben in der Rösterei bzw. wie sieht ein typischer Arbeitsalltag in der Rösterei aus?

Ich bin für die Rösterei zuständig, was nur einen Teil unseres Geschäftskonzepts ausmacht, wenn auch einen sehr wichtigen. Das heißt, ich bin für den Kaffeeeinkauf, das Cuppen (Verkosten), das Erstellen eines Röstprofils für jeden einzelnen Kaffee durch Sampleröstungen und schließlich für die Produktionsröstung zuständig. Das ergibt pro Woche rund 120 kg Röstkaffee. Beim Verpacken und Versand, der meist am selben Tag der Röstung stattfindet, sind weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt.

Viele Röster lassen Ihren frisch gerösteten Kaffee vor dem Verpacken und Versenden noch etwas ruhen. Ihr geht hier anders vor. Warum favorisiert Ihr hier ein anderes Vorgehen?

Nach dem Rösten gast der Kaffee Kohlendioxid aus. Verbleibt das Gas in der Tüte, wenn der Kaffee sofort weitgehend luftdicht verpackt wird, funktioniert dies wie ein Schutzgas. Dieses verdrängt den verbliebenen Sauerstoff. So wird der Oxidationsprozess verzögert und der Kaffee bleibt länger frisch.

Bei Mykona wird der Kaffee auf Trommelröstern mithilfe von Cropster, einer speziellen Roast Intelligence Software, geröstet. Kannst Du uns mehr über diesen Prozess erzählen?

Cropster hilft mir den Röstprozess konstant zu gestalten, d. h. der Kaffee soll immer seine hohe Qualität beibehalten, unabhängig von sich ändernden Faktoren. Außerdem erfasst Cropster alle wichtigen Daten, wie die Reproduzierbarkeit, den Rohkaffeebedarf, die Bestellungen durch unsere Kunden und die Abrechnung der Kaffeesteuer – eine Verbrauchssteuer, die mit 2,19 € pro 1 kg Röstkaffee anfällt und vom Zoll erhoben wird.

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Stefan Bracht eröffnete in Berlin das Kaffeemuseum und entwickelte dafür eine eigene Kaffeeröstung. | Foto: Stefan Bracht

2006 hast Du das Kaffeemuseum in Berlin eröffnet. Was war die Motivation dahinter?

Mein Interesse für Geschichte und die eigene Familiengeschichte, wie ich anfangs erwähnte, hat mich dazu bewogen. Sowie ein Kaffeeröster, der mich ganz zu Anfang unterstützt hat und mich ermutigte, die Idee eines Kaffeemuseums umzusetzen.

2020 hat ein Kaffee von Dir einen Wettbewerb im deutschsprachigen Raum gewonnen. Kannst Du uns mehr dazu erzählen?

Ja, das „Kaffeepanel“, welches von der Schweizer Rösterei „Die Kaffeemacher“ initiiert wurde. An dem Wettbewerb haben Röstereien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilgenommen. Wir haben mit einem Kaffee der Varietät „Sudan Rume“ aus Kolumbien den 1. Preis in der Kategorie „traditionell gewaschen“ gewonnen. Der Kaffee stammte von der befreundeten Farm „Hacienda Misiones“ in der kolumbianischen Provinz Cundinamarca. Die Farm unterhält ein Kaffeelager in Berlin und so pflegen wir seit einigen Jahren enge Beziehungen.

Dabei ist es von großer Bereicherung, wenn ich über die Jahre vertrauensvolle Partner-schaften zu Kaffeeschaffenden in den Regionen aufbauen konnte, die ich besuchte.

Du bist bereits in viele Kaffeeländer gereist. Wo warst Du schon überall und wen hast Du getroffen? Ist Dir eine bestimmte Situation auf Deinen Reisen besonders in Erinnerung geblieben?

Die erste Reise führte mich nach Mexiko, Guatemala und Honduras. Ich wollte das Geburtsland meiner Mutter, Guatemala, kennenlernen. Das war 2007. Seither reiste ich mehrmals im Jahr in verschiedene Länder Südamerikas, Afrikas, nach Nepal und Südwest-China, wo Kaffee und Tee angebaut werden.

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Stefan Bracht bereiste bereits viele Anbauländer, beispielsweise Südamerika. | Foto: Stefan Bracht

Meist sind die Reisen gut organisiert, teils von mir selbst, teils durch die Kaffeekooperativen oder die staatlichen Kaffeeorganisationen. Dabei ist es von großer Bereicherung, wenn ich über die Jahre vertrauensvolle Partnerschaften zu den Kaffeeschaffenden in den Regionen aufbauen konnte. Neben der Möglichkeit, die besten Kaffees der Regionen einkaufen zu können, sind es die Menschen, die ihr Bestes geben und die gewachsenen Beziehungen, die von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägt sind. Dies berührt mich jedes Mal und ist vielleicht eines der Hauptgründe, sich immer wieder auf die Reise zu machen.

Direct Trade ist ein wichtiges Thema für Dich. Warum?

Für mich sind die besten Kaffees auf dem Markt die, mit deren örtlichen Gegebenheiten ich in den Kaffeeregionen vertraut bin. Diese lassen sich nicht unbedingt von einem Trader in Hamburg oder Bremen kaufen. Außerdem kann ich bei der Kaufentscheidung zu dem Produkt eine ganz andere Beziehung aufbauen, es verstehen und seinen Wert erkennen. Hinzu kommt, dass ein Geschäft zwischen zwei Partnern abgewickelt wird und welcher ist der beste Partner, wenn nicht der Produzent, die Farmerin, der Farmer und alle Beteiligten an der Wertschöpfungskette bis zum Kaffeegenießer zu Hause.

reise in kaffee anbauland ecuador
Stefan Bracht bei seiner Reise in das Kaffee-Anbauland Ecuador. Der direkte Austausch ist ihm besonders wichtig. | Foto: Stefan Bracht

Wie machen sich aktuelle Entwicklungen in der Kaffeebranche (z. B. steigende Kaffeepreise) bei Euch in der Rösterei bemerkbar?

Da unsere Lieferverträge langfristig angelegt sind, sind wir den Schwankungen und Lieferengpässen nicht im gleichen Maße ausgesetzt. 2021 haben wir Kaffee für 16 Monate im Voraus eingekauft, was zu finanzieren nicht einfach war, aber aus heutiger Sicht weitsichtig.

*Anm. d. Red.: Die Brew-Ratio ist das Verhältnis zwischen der Menge des verwendeten Röstkaffees (Kaffeemehl) in Gramm und der Menge des daraus extrahierten Kaffees in Gramm. Wenn zum Beispiel aus 10 g Kaffeepulver 40 ml Kaffee extrahiert werden, entspricht das einer Brew-Ratio von 1:4 (unter der Annahme 40 ml = 40 g). Die Brew-Ratio fällt je nach Zubereitungsmethode unterschiedlich aus und enthält keinerlei Angaben zum Mahlgrad.

Wie stehst Du zu neuen Kaffee-Trends, wie beispielsweise zur Brew-Ratio?

Die Brew-Ratio* besagt das richtige Verhältnis von Kaffee, dessen Mahlgrad, Temperatur, Zubereitung, Wassermenge und sollte von jedem professionellen Barista beherrscht werden. Interessierte Verbraucher können sich inzwischen über die beste Zubereitung eines Kaffees informieren. Das ist ein großer Genussgewinn beim Trinken von Kaffee, besonders wenn man es bewusst tut. In der Gastronomie finden sich zunehmend neue Kaffeegetränke, darunter Cold-Brew, ein Kaffee, der mehrere Stunden bei Wasser mit Zimmertemperatur gebrüht wird. Für den besonderen Genuss lässt sich der Cold-Brew mit Eis oder auch als Bestandteil von Cocktails verwenden. Dieser eignet sich sehr gut für den Sommer und ist in Bars und Clubs beliebt.

Wenn Du drei Assoziationen zu Kaffee nennen müsstest, welche wären das für Dich?

Genuss, Geschichte der Menschheit, ein Teil meines Lebens.

qualitaetspruefung neuer kaffeeroestungen
Neue Kaffeeröstungen durchlaufen eine strikte Qualitätsprüfung. | Foto: Stefan Bracht

Angenommen, Du müsstest Dich für ein Jahr festlegen. Für welche Brühmethode würdest Du Dich entscheiden?

Handfilter.

Abschließend wollen wir gerne noch von Dir wissen: Wie trinkst Du Deinen Kaffee am liebsten? Hast Du ein persönliches Kaffeeritual?

Wie nicht schwer zu erraten ist, Handfilter. Ich achte bei der Zubereitung auf die richtigen Faktoren, Kaffeemenge, Wassertemperatur, Brühzeit. Ganz besonders genieße ich es, wenn der Kaffee abkühlt. Wenn er immer besser wird, war es ein sehr guter Kaffee, eine Rückversicherung, dass mit unseren Kaffees alles stimmt.

Wir bedanken uns bei unserem Interviewpartner Stefan Bracht. Wenn Sie neugierig auf die Produkte von Mykona geworden sind, finden Sie die leckeren und ausgefallen Röstungen natürlich bei uns im Shop.

Alle hier gezeigten Bilder wurden uns für dieses Interview von Stefan Bracht zur Verfügung gestellt. Die Bildrechte liegen bei ihm.

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1 Kommentar

  1. Sehr ausführlich und speziell! Gut verständlich, vielseitig und nachvollziehbar. Handfilter ist die beste Zubereitung! Danach kann man Kaffee genießen!

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