Die nasse Aufbereitung
Höhere Qualität durch mehr Aufwand
Voraussetzungen
Die nasse Aufbereitung der Kaffeekirschen erfordert in jeder Verarbeitungsstufe große Mengen an Wasser. Sie ist daher nicht überall und auch nicht für riesige Erntemengen geeignet. Alle Früchte müssen den richtigen Reifegrad aufweisen, sonst gibt es zu viele Probleme beim Entkernen. Im englischen Sprachgebrauch werden die Früchte übrigens depulped, was man eher mit entfleischen übersetzen müsste. Teilweise wird auch in der deutschsprachigen Literatur von Entpulpen oder Depulpen gesprochen. Gemeint ist in beiden Fällen das Trennen der Schale und des Fruchtfleisches vom Kern der Frucht, den Kaffeebohnen. Die so erzeugten Rohkaffees haben mehrere Namen: gewaschener Kaffee, Milds, Café lavado.
Vorbereitung
Die nasse Aufbereitung muss 12 bis spätestens 24 Stunden nach der Ernte beginnen. Nur die mit der Picking Methode sorgfältig von Hand geernteten Früchte stellen die erforderliche Qualität für die nasse Aufbereitung sicher. Trotzdem wird die Ernte genau wie bei der trockenen Aufbereitung erst einmal in den grossen Wasserwannen selektiert. Die im Anschluss verwendeten Maschinen reagieren nämlich sehr empfindlich auf Fremdkörper. Anschliessend werden die Früchte über Rüttelsiebe mehrfach und sehr sorfältig nach Größe sortiert.Bei einer anderen Variante kommen die Früchte erst einmal über Nacht in so genannte Quelltanks. Hier kann das Fruchtfleisch für eine leichtere Verarbeitung aufgehen. Die Selektion erfolgt über Schwemmkanäle, ähnlich wie in den großen Wannen. Die folgende Sortierung nach Größe macht die weitere Verarbeitung problemloser.
Entfleischen der Kaffeekirschen
Dieser Arbeitsschritt geschieht immer maschinell. Kleine Maschinen werden von Hand angetrieben und sind etwa so groß wie ein Gartenhäcksler. Größere Modelle werden von Motoren bewegt. Eine sich drehende Walze oder Scheibe drückt dabei die Früchte gegen ein feststehendes Messer. Die Maschinen sollen die Schale und das Fruchtfleisch entfernen, die die Bohnen umhüllende Pergamenthaut muss aber unbeschädigt bleiben. Daher müssen die Maschinen sehr genau auf die Größe der Früchte eingestellt werden und die Früchte müssen absolut gleichmässig groß sein.Die Bohnen verlassen den Entkerner mit mit Silber- und Pergamenthaut, der Schleimschicht sowie nicht unerheblichen Resten von Fruchtfleisch. Genau das macht sich der nächste Verarbeitungsschritt zu Nutze:
Selbst wenn man das Fruchtfleich vollständig abwaschen würde - die bis zu 2 mm dicke Schleimschicht löst sich nicht ab. Aber die Natur selbst kennt die Lösung. Läßt man nämlich die entpulpten Bohnen einfach auf einem Haufen liegen, wird begünstigt durch die Feuchtigkeit des restlichen Fruchtfleischs und der Schleimschicht selbst eine spontane Gärung in Gang gesetzt - und schon lässt sich auch die Schleimschicht problemlos entfernen. Die Holländer entdeckten das schon Mitte des 18. Jahrhunderts und gaben dem Verfahren den Namen WIB (West Indische Bereiding). Das hat übrigens nichts mit Indien zu tun. Die niederländische Westindien-Kompagnie war in Amerika und Afrika aktiv.
Bei der Fermentierung laufen mit Hilfe von Bakterien chemische Prozesse ab, die noch nicht vollständig beschrieben sind. Die Prozesse laufen nicht nur in den Fruchtfleischresten und der Schleimschicht ab, sonder auch innerhalb der Bohne. Sie bestimmen maßgeblich die späteren Geschmackseigenschaften und die Qualität des Kaffees.
Daher greift man heute steuernd in diese Prozesse ein. Dazu werden die frisch entpulpten Bohnen in große, mit Wasser gefüllte Gärtanks (Betonwannen) umgefüllt. Unter Wasser läuft die Fermentation langsamer und gleichmässiger ab. Sie kann durch mehr oder weniger häufiges Umrühren, gezielte Zugabe von Enzymen oder durch Vermischen mit Wasser aus bereits gärenden Tanks gesteuert werden. Zu viel Fermentierung ist aber auch nicht gut. Nach ein bis zwei, selten auch drei Tagen blubbert es immer vernehmlicher in den Gärtanks. Das Wasser ist durch abgelöste Fruchtfleischreste und Schleimschichtbestandteile zu einer echten Brühe geworden.
Im Anschluss an die Fermentierung erfolgt der namensgebende Verarbeitungsschritt - das Waschen.
Das Waschen des Kaffees
Am Ende der Fermentierung schwimmen die Bohnen in einer recht unappetitlichen Brühe und müssen noch gewaschen werden. Durch das Waschen werden alle noch anhaftenden Reste des Fruchtfleischs und der Schleimschicht entfernt. Am Ende sind die Bohnen blitzeblank und nur noch von der Pergamenthaut umgeben.
Das Waschen kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Je mehr Wasser dabei zur Verfügung steht, um so besser. Große Reinigungsbecken mit ständiger Wasserzufuhr, Schwemmkanäle sowie entsprechende Maschinen sind die gängigen Verfahren. Pro Kilo Rohkaffee werden etwa 100 Liter Wasser benötigt. Auch beim Waschen werden die oben schwimmenden Bohnen aussortiert.
Trocknung der gewaschenen Bohnen
Man unterscheidet die natürliche und die maschinelle Trocknung. Bei der natürlichen Trocknung werden die Bohnen auf Zementflächen oder etwa hüfthohen Rosten ausgebreitet. Je flacher die Bohnenschicht, desto weniger oft müssen die Bohnen gewendet werden. Die natürliche Trocknung durch Sonne und Wind erzeugt die bessere Qualität, benötigt aber die passenden Klimabedingungen. Wo das nicht geht, wird mit speziellen Trocknungsmaschinen gearbeitet, die zum Teil mit Abfällen aus vorherigen Verarbeitungsschritten befeuert werden.
Die natürliche Trocknung des gewaschenen Kaffees dauert weniger als eine Woche. Die Trocknungsmaschinen erledigen diese Arbeit in wenigen Stunden.
Schälen und Polieren
Diese Verarbeitungsschritte können sowohl in den Erzeugerländern als auch in den Verbraucherländern durchgeführt werden. Eine Schälmaschine entfernt die getrocknete Pergamenthaut und möglichst viel vom Silberhäutchen.
Top-Qualitäten werden gelegentlich zusätzlich noch poliert.
Das Polieren hat keinerlei Einfluß auf die Qualität der Bohnen. Aber nach dem Polieren sehen sie viel schöner aus - und bei Top Models ist das einfach Pflicht.
Sortieren und Reinigen
Ganz zum Schluss werden die Bohnen noch einmal über Rüttelsiebe nach Größen sortiert. Größere Bohnen erzielen nämlich bessere Preise.
Eine Qualitätsverbesserung nicht der einzelnen Bohne, sondern der gesamten Charge besteht in einer abschließenden Luftreinigung. Dabei werden die unterschiedlichen Gewichte von Bohnen und Fremdkörpern dazu benutzt, die Störenfriede auszusortieren.
Nochmals besser wird die Charge durch das Auslesen von Fehlbohnen. Das können Verfärbungen bis hin zu schwarzen Bohnen oder auch Schäden durch Insekten sein. Die Handverlesung ist sehr arbeitsintensiv und wird eigentlich nur von Frauen durchgeführt. Dabei ist die Auslese aus Kästen noch sehr angenehm im Vergleich zur Fließbandauslese, wie dieses Video zeigt:
Auch diese Arbeit wird aber zunehmend von Maschinen erledigt, die blitzschnell jede Bohne einzeln prüfen und aussortieren können.
Bildnachweis für diesen Artikel: Tinau Umlauf, Youtube